»… sagen Sie uns lieber: Ist es weit von hier nach der Esplanade?«
»Nicht im geringsten, Frau Hofrätin. Eine Kleinigkeit von einem Wege. Bei uns in Weimar gibt es dergleichen wie weite Wege nicht; unsere Größe beruht im Geistigen.«
(»Lotte in Weimar«, siehe Foto weiter unten, S. 20)
was gibt es nicht alles für gründe, WEIMAR zu besuchen:
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ein eher enttäuschender bahnhof, klein und provinziell.
aber zumindest ein ordentliches schild gibt es. |
die frage nach der vergleichbarkeit mit magdeburg, der kulturwissenschaftliche - vor allem auch germanistische - background, die qua geburtsort und eltern zugehörigkeit zum »deutschen volk«, das gelesen&gemocht-haben einiger schriftstücke »des großen meisters« der deutschen literatur, die bauhaus-universität mit ihren
medienwissenschaftlern, das überhaupt-noch-nie-gewesen-sein in thüringen, die botanische und poetologische wertschätzung des »
ginkgo biloba« ...
man hätte es wissen müssen, da es eine volks&binsenweisheit ist: (zu) hohe erwartungen können nur enttäuscht werden. aber wie hätte man zuvor völlige unvoreingenommenheit erreichen können?
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in weimar gewiss, dort hat niemand diese adresse.
mögen also viele touristen empor schauen und eventuell abhilfe schaffen. |
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trägt man das haupt nur hoch genug, so ist doch auch moderne kunst zu entdecken
und der wille zur bunten gestaltung des öffentlichen raums. |
welche lektüre aber böte sich besser an als diese?
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bei diesem titelbild, aber auch bei der lektüre, ist unweigerlich an
»requiem for a dream« zu denken. eine ältere frau erinnert sich ihrer
jugend, schönheit, träume - materialisiert in einem kleid aus ver-
gangenen tagen. das tragen dieser last verspricht ein »back to the future«. |
»Fehler und Schattenseiten? Weimar hat die Fehler und Schattenseiten des Menschlichen, - kleinstädtischer Menschlichkeit vor allem. Borniert und höfisch verklatscht möchte das Nest wohl sein, dünkelhaft oben und dumpfsinnig unten, und ein rechtlicher Mann hat es schwer hier wie überall - vielleicht noch etwas schwerer als überall; die Schelme und Tagediebe befinden sich wie üblich - und wohl noch etwas entschiedener als üblich - obenauf. Aber darum ist es doch ein wackeres, nahrhaftes Städtchen - ich wüßte längst nicht mehr, wo anders ich leben wollte und könnte. Haben Sie von seinen Merkwürdigkeiten schon etwas gesehen? Das Schloß? Den Exercierplatz? Unser Komödienhaus? Die schönen Anlagen des Parks? Nun, Sie werden ja sehen. Sie werden finden, daß die Mehrzahl unserer Gassen recht krumm sind. Der Fremde darf bei der Besichtigung nie vergessen, daß unsere Merkwürdigkeiten nicht durch sich selbst merkwürdig sind, sondern darum, weil es die Merkwürdigkeiten Weimars sind. Rein architektonisch genommen, ist es mit dem Schloß nicht weit her, das Theater möchte man sich wohl imposanter vorstellen, wenn man es noch nicht kennt, und der Exercierplatz ist ohnedies eine Dummheit. An und für sich ist nicht einzusehen, weshalb ein Mann wie ich sich unbedingt sein Leben lang gerade zwischen Coulissen und Versatzstücken bewegen - sich hier so gebunden fühlen sollte, daß er eine Berufung ausschlägt, die mit allen seinen von jungauf genährten Wünschen und Träumen so rein übereinstimmt.«
(»Lotte in Weimar«, ebd., S. 54)
»zwischen Coulissen und Versatzstücken«:
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bauch-pinselei. |
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etwas gelungener neu angemalt. nicht so chinesisch - fake-historisch. |
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bunt geht es architektonisch wahrlich zu ... |
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... IKEA?!
hinter schwedischen gardinen hauste hier einst eine schillernde persönlichkeit. |
aber zu viel schmähen steht einem kulturmenschen nicht an. es gibt tatsächlich »merkwürdigkeiten«.
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ein schönes rathaus am marktplatz mit glocken aus meißner-porzellan. |
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mal ein gartenhaus, dann eine kirche mit tempelelementen,
nun eine touristische attraktion als ruine. |
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mangelnden erfindergeist kann man den weimarern sicher nicht zum vorwurf machen.
eine kugelfangmauer des schützenvereins wurde ebenfalls zur historischen »coulisse« umfunktioniert. |
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unorthodox. eine russisch-goldene zwiebel auf dem friedhof. |
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ai wei wei wurde in weimar festgesetzt. |
man hätte wohl einen wunden daumen am ende des tages, wenn man mit einem simplen mechanischen personenzählgerät festhalten hätte wollen, wie oft einem in der stadt der name oder die person »goethe« in jeglich denkbarer repräsentativer form erschienen ist.
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nicht tot zu kriegen in ihrer
ehernen rüstung die zwei dichterfürsten. |
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sogar selbst weist er noch auf sich hin. |
am ende kann man nur die flucht ergreifen. leider nicht mehr per privatkutsche.
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goethe-mobil. |
ich empfehle mit berufung auf kenner der stadt und umgebung, die das abschließend folgende buch verfasst haben:
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»damit euch niemals langeweile begegnen und eure erwartungen niemals enttäuscht werden mögen.« |
manchmal empfiehlt es sich bei der eigenen fiktions&imaginationsfähigkeit stehen zu bleiben, seine gedanken&vorstellungswelt niemals zu verlassen (R.I.P immanuel kant) und damit den abgleich von realbild und wunschtraum wissend um die folgen zu meiden.